Mein Jahr mit Mr Mac by Freud Esther

Mein Jahr mit Mr Mac by Freud Esther

Autor:Freud, Esther [Freud, Esther]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783827078766
Herausgeber: Berlin Verlag
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


KAPITEL 38

Ich liege im Bett, im Dämmer des unablässigen Regens draußen vor dem Fenster ziehen die Tage dahin. Ich werde von Mutter geweckt, die mir Brühe einflößt. Ihr zuliebe versuche ich zu schlucken, doch meistens huste ich nur. »Versuch’s noch mal«, drängt mich Mutter, doch am Ende gibt selbst sie sich geschlagen und lässt mich in Ruhe.

Ann sitzt am Fußende des Bettes und redet mit mir. Sie hat einen Brief. Mir ist nicht ganz klar, ob es der Brief ist, auf den ich schon lange warte, von Betty, um mir für das Bild zu danken, dass ich von ihr gemalt habe, und mich zu bitten, dass ich den Frühling und den Sommer bis zur Heringssaison auf ihr Kommen warte. Ihr Koffer sei schon gepackt, ihre Kiste, wie sie ihn nennt, ihr Filetiermesser ist in das Kopftuch eingewickelt, Schürze und Stiefel einsatzbereit. Oder ist es eine Nachricht von George Allard, der mir schreibt, dass er sich einen neuen Jungen nehmen muss, wenn er je den Auftrag für die Ankerleine fertig kriegen soll? Doch als ich mir Anns Gesicht genauer ansehe, kommt es mir so vor, als sei das, was sie vorliest, gar nicht für mich, sondern endlich der ersehnte Brief von Jimmy Kerridge, in dem er ihr sagt, dass er sie liebt und dass der Krieg fast vorüber ist. Dass er heimkommen und sie heiraten wird. Stimmt das? Aber warum sieht sie dann traurig aus?

Ann bastelt Strohsterne und hängt sie ins Fenster. »Du musst essen.« Mutter hat dunkle Ringe um die Augen. In ihrem Rücken erscheint Mrs Horrod. Es ist seltsam, ihr neugieriges Gesicht in meiner Dachkammer zu sehen. Sie setzt sich an mein Bett, fühlt meinen Puls und legt mir eine raue Hand auf die Stirn. »Pfefferminz und Holunder«, sagt sie. »Und Whisky fürs Herz.« Noch am selben Tag werfe ich den Kopf hin und her, als man mir das stinkende, scharfe Zeug an die Lippen drückt.

Am nächsten Morgen wache ich früh auf. Außer den Vogelstimmen regt sich kein Laut. Ein klares Pfeifen und ein hohes Piep Piep. Ann liegt nicht neben mir im Bett. Sie muss wohl vor der Hitze in meinen Gliedern in das große Zimmer geflüchtet sein, in dem die Cheshires ihren Schmutz und Gestank hinterlassen haben. Durchs Fenster sickert schwaches Licht, und das Tosen in meinen Ohren ist weg. Ich blicke in den Tag hinaus, und mich überflutet eine große Ruhe. Ich wickle mir eine Decke um den Leib und schleiche durchs Schlafzimmer nebenan, die Leiter hinunter in die große Schankstube, wo die Asche in der Feuerstelle noch warm ist. Ich stochere mit Stöckchen darin herum und puste hinein, um sie wieder anzufachen. Von der Anstrengung dreht sich die ganze Welt. Ich fange mich wieder und öffne die Hintertür. Es ist kalt. Der Hof liegt unter weißem Frost, die Luft ist prickelnd frisch. Ich trete in ein paar Stiefel und stolpere hinaus. Der Brunnen ist offen, der Eimer glänzt unter einer silbrigen Schicht. Ich lasse ihn in den Schacht hinunter, warte, bis er voll ist, ziehe ihn hoch und trinke.



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